Der menschliche Körper hält einiges aus. Die Seele, die Psyche, der Geist aber scheinen Schwächlinge zu sein.
Am gestrigen Donnerstag wurden mir technische Geräte umgehängt und meine Brust mit Sensoren bekleistert. Am linken Oberarm wurde eine Blutdruckmanschette angebracht. Es war soweit, Langzeitblutdruckmessung und Langzeit-EKG sollten Aufschluss darüber bringen, ob ich ein organisches Leiden habe.
Meine Meinung war bislang, dass der Bluthochdruck der vergangenen Woche(n) einzig und allein mit dem enormen Schlafmangel/-entzug zu tun hat. Die Blutdrucktabletten konnten nur die Symptome künstlich nach unten drücken, aber nichts anderes bewirken. Der wenige Schlaf, und vorallem RLS, blieben mir in voller Pracht und Schönheit erhalten.
Mit dem ganzen Gebimsel habe ich nun den Sturmtag und die Sturmnacht verbracht. Es ging eigentlich ganz gut, nur die Bewegungsfreiheit war etwas eingeschränkt. Aber wo sollte ich mich bei Sturm, Regen und Hagel schon hinbewegen. Vor der Nacht hatte ich einige Bedenken. Nicht nur wegen der unruhigen Beine.
Den Tag über habe ich also nicht viel gemacht. Somit sollte in den Daten nichts zu sehen sein, was spektakulär sein könnte. Bis auf …
… die Zeit von 22:00 Uhr bis kurz nach 02:00 Uhr. Denn in dieser Zeit war ich wieder voller Unruhe, die Beine wollten sich gar nicht beruhigen. Gegen Mitternacht hatte ich pochende Kopfschmerzen.
Irgendwann bin ich dann eingeschlafen. Und so wie ich eingeschlafen war, wurde ich auch wieder wach. Der Blutdruckmesser pumpte Luft in die Manschette. Alle 30 Minuten in der Nacht wurde gemessen. Letztlich habe ich aber nicht alle Messungen bewusst wahrgenommen. Ein gutes Zeichen. Auch wenn der Schlaf nicht erholsam war, so konnte ich doch eine Mütze voll Schlaf mitnehmen, bevor ich wegen leichter Unruhe in den Beinen um kurz nach 06:00 Uhr freiwillig und ziemlich zermürbt vom Sofa aufstehen musste.
Scheinbar kann man heute mit den digitalen Daten die Werte für Blutdruck und EKG recht schnell auswerten. Meine Hausärztin hatte bereits die Ergebnisse gesichtet und frohlockte, dass Blutdruck und EKG vollkommen in Ordnung waren. Keinerlei Auffälligkeiten wurden festgestellt oder waren aus den Daten ablesbar. Meine Frage nach dem oben genannten Zeitraum wurde so beantwortet, dass nicht auffälliges erkennbar war.
Meine Unterstellung von oben scheint sich zu bekräftigen. Körper gut, Psyche beschissen.
Einerseits bin ich heilfroh, dass nichts organisches vorliegt, andererseits weiß ich mit dem Ergebnis und meinem Zustand nicht umzugehen. Ich fühle mich wie gerädert und bin fix und fertig. Mein Körper ist gesund, aber wie kaputt muss meine Psyche sein?
Was um alles in der Welt treibt mich um?
Erleichtert und zerknittert zugleich konnte ich die Frage der Hausärztin nach meinem Befinden nur damit beantworten, dass es mir nicht gutgeht und ich wegen viel zu wenig Schlaf keine Energie aufbringen konnte. Und ich bin der Dame wirklich ein weiteres Mal unendlich dankbar, dass sie mich aus dem Verkehr weiterhin aus dem Berufsverkehr zieht. Die Wartezeit auf den Anruf von der offenen Station, der noch in der Luft hängt, kann ich zu Hause verbringen. So muss ich mir keinen Kopf machen wann ich schlafe, sondern nur das ich schlafe - egal wann.
Ich habe den Tag über gemerkt, dass mir eine große Last von den Schultern gefallen ist. Der Gedanke daran, am Montag unausgeschlafen und völlig fertig arbeiten zu müssen, hat mich stark beunruhigt.
Mein Ziel ist es immer, meine Aufgaben schnell, gut und fehlerfrei zu erledigen. Davon gelingt mir in der letzten Zeit nichts mehr. Gerade was die Fehlerfreiheit anbelangt bin ich sehr entsetzt, was ich manches Mal für einen Kram abliefere. Zumindest für die nächsten vier Wochen kann ich hoffentlich Abstand davon gewinnen und mich auf mich konzentrieren.
Dazu gehört nicht nur zu Hause zu sein, sondern, sofern die Kräfte reichen, werde ich draußen sein. Radfahren, fotografieren, Hauptsache nicht in der Bude hocken und komischen Gedanken nachhängen.
Leid tut es mir leid um meine Kolleginnen, die nun wieder meinen Part mitmachen müssen. Und sie machen es ohne zu klagen oder sich zu beschweren. Das hilft mir sehr auch mein Preußentum mal Preußentum sein zu lassen. Sie wissen gar nicht wie dankbar ich ihnen dafür bin. Wenn es mir hilft, was ich jetzt angehe, dann ist es auch für einen guten Zweck. Und wenn nicht…
Und dennoch wundere ich mich, was mir die Psyche für Streiche spielt. Die Schlaflosigkeit macht mich kirre. Welche Folgen daraus entstehen können, habe ich schon in einem anderen Artikel beschrieben. Und ich kann sie im Nachhinein sehr gut nachvollziehen. Schlafentzug tötet, aber sehr langsam.
Am Montag wird ein Paket kommen. DHL hat es bereits angekündigt. Ich habe mich mit legalen schlaffördernden Mitteln eingedeckt. Vielleicht ist etwas dabei, was stark genug ist, um die Unruhe in den Beinen in die Knie zu zwingen und mich schlafen zu lassen. Die Tipps habe ich von der Tochter meines Chefs bekommen, die Medizin/Pharmazie studiert hat und ein bisschen auf Recherche gegangen ist. Auch über diese Hilfe bzw. das Angebot der Hilfe, habe ich mich sehr gefreut. Ganz so alleine, wie ich es oftmals empfinde, bin ich nicht. Und das ist auch gut so.
Nun bleibt es abzuwarten wie die nächsten Nächte werden. Nach zwei Stunden Beinunruhe gehe ich in einen anderen Zustand über. Der Kopf wird unklar, matschig. Ich kann dann auch nichts machen. Nicht lesen, nicht YouTube schauen, mich auf nichts konzentrieren. Der Kopf ist einfach für nichts zu gebrauchen. Ok, komische Artikel für den Blog kann ich schreiben, aber die Texte sind auch nur ein Spiegelbild meiner Psyche. Auch wenn alle Worte und Aussagen weiterhin Bestand haben. Gedanken in Nächten von denen ich mir zu den jeweiligen Zeitpunkten wünschte sie nie mehr erleben zu müssen.
Mir kommt in letzter Zeit das Wort Wahnsinn immer häufiger in den Kopf. Was ist Wahnsinn? Wie gerät man in den Zustand des Wahnsinns? Viele Gedanken, die in den letzten 3 Wochen nachts durch meinen Kopf gedümpelt oder auch gerast sind, haben einen Geschmack davon. Und ich kann es bewusst nicht steuern. Ich bin hilflos und machtlos dagegen.
Somit hoffe ich, dass mich die nächste Zeit, die ich viel draußen sein werde, auf positive Gedanken bringt und ein wenig Lebensmut zurückkommt.
Das Artikelbild zeigt den Leuchtturm von Pilsum in Ostfriesland. Ostfriesland, mein liebstes Moin-Land. Irgendwann sehen wir uns wieder. Und dann fahre ich alle Strecken ab, die ich früher auch fahren konnte. Irgendwann, irgendwann. Versprochen.
Jopii, 08.04.2022