In meinem sechsten Artikel über das Restless Leg Syndrom - der Weg in die neue Welle berichtete ich darüber, wie es für mich ist, sehenden Auges in die nächste Welle zu rauschen, ohne etwas dagegen tun zu können. Die Machtlosigkeit ist erschütternd. Die Auswirkungen können katastrophal sein. Nun stehe ich vor einer Mauer, bewaffnet mit einem Teelöffel, und soll ein Loch in die Wand machen.
Einige Hoffnung hatte ich in den nächsten Arzttermin gesetzt. Ich war der Meinung, dass meine regelmäßigen täglichen Aufzeichnungen behilflich sein könnten, meine Probleme, insbesondere mit dem Schlaf, besser in den Griff zu bekommen. Leider sah ich mich heute arg enttäuscht. Es war, als säße ich auf der Anklagebank und würde dafür gerichtet, dass ich nicht im Mainstream unterwegs bin und einfach so auf die Medikamente anspreche. Der Arzt wurde richtig grantig und verweigerte jede weitere Behandlung. Er redete nun von einer Depression, die ich ihm schon vor Monate immer wieder mit in den Denkapparat gegeben hatte. Er hatte nie zugehört!
Beim letzten Arztbesuch Anfang Februar war mir schon aufgefallen, dass der Mediziner eher ungehalten auf das reagierte, was ich schildern konnte und wollte.
Leider ist es überall das gleiche: nicht zuhören wollen oder können.
Das Ende vom Lied war, dass der Arzt die Behandlung nach 16 Monaten beendete und mir eine Einweisung als Notfall in die Psychiatrie aushändigte. Das war es. Noch nicht mal ein alles Gute oder auf Wiedersehen gab es.
Mit der Einweisung fuhr ich dann nach Hause, um mir zu überlegen, was nun zu tun sei. Es gab für mich zwei Möglichkeiten:
- gar nichts mehr tun, auch keine Medikamente mehr nehmen (dazu unten mehr)
- in der Klinik anrufen und fragen, was ich nun tun müsse
Ich entschied mich dazu, mich der Herausforderung eines Klinikaufenthalts zu stellen. Der Drang und Wunsch nach Schlaf - und damit nach Leben - war stärker als die Angst vor dem Ungewissen. Die Entscheidung fiel mir auf jeden Fall sehr schwer.
Warum eine Möglichkeit gewesen wäre, dass ich nichts mehr tue, hat folgenden Hintergrund. Es gibt Phasen, in denen meine Beine abends ruhig bleiben. Ich nehme zwar meine Tablette, kann auch relativ gut einschlafen, aber schlafe eben nur 2 bis 4 Stunden. Das reicht nicht aus, um den Tag über aktiv zu sein und meiner Arbeit gut und gewissenhaft nachgehen zu können. Die Reduzierung meiner Arbeitszeit, und die daraus resultierenden finanzielle Einbußen, sind ein Ergebnis davon.
In den Phasen, in denen ich schlaflos bin und die Beine ein absolutes Eigenleben entwickeln sobald ich mich zur Ruhe lege, hilft das Medikament nicht. Es hat keinerlei Wirkung. Selbst einfache Schlaftabletten helfen dann nicht. Ich kann die doppelte oder dreifache Dosis nehmen. Das Ergebnis ist gleich: keine Wirkung.
Insofern habe ich das Gefühl, welches ich leider medizinisch nicht belegen oder bewerten kann, dass in den ruhigen Phasen das Medikament gar nicht arbeiten musste, weil es nichts gab, was hätte beruhigt werden müssen. Weil, wenn es etwas zu tun gab, wirkte es nicht. Ergo: nutzlos.
Diese Nutzlosigkeit hat mir 10 kg mehr Körpergewicht eingebracht. Hoffentlich bekomme ich die bald wieder runter, sollte ich auf das Medikament verzichten können. Mir ist auch nicht ganz klar, was das Absetzen des Medikaments für mich bedeuten könnte.
Mit viel Angst, ein wenig Hoffnung und einem festen Willen fuhr ich dann via S-Bahn, das letzte Stück zu Fuß, zur Klinik und ließ mich aufnehmen. Das war schnell erledigt. Auf dem Einweisungsschein stand drauf, wer mich eingewiesen hatte: der Psychiater.
Dieser kleine zarte Hinweis würde für mich noch wichtig werden - und mich vollends den Glauben verlieren lassen.
Nach einiger Wartezeit wurde ich dann dem aufnehmenden Arzt vorgestellt, der mich befragte, warum ich gekommen sei. Alleine die Frage war schon komisch, weil ich eine Einweisung hatte. Naja, ich versuchte so gut, aber auch so schnell wie möglich mein Thema zu erklären. Ausreden konnte ich nicht, obwohl ich noch nicht mal 20 Sekunden gesprochen hatte. Da wurde mir schon schwummerig vor den Augen. Ich ahnte was kommt: man will wieder nicht zuhören.
Dennoch ließ ich mich nicht beirren und erklärte meine Probleme, fügte meine eigene Ansicht (huch) hinzu, und behauptete steif und fest, dass ich im Grunde genommen nur ausreichend Schlaf benötigte, um Körper und Geist wieder einigermaßen fit für den Alltag zu machen. Kopfnicken als Ergebnis bei Arzt und Pfleger. Toll! Ich kenne mich und meine Sorgen nun lange genug. Aber …
… von einer stationären Aufnahme wurde mir dann abgeraten, denn in einem 3-Bett-Zimmer war an Schlaf kaum zu denken. Ok, das kann ich verstehen, denn mein Hauptthema ist im Moment der Schlaf. Was soll ich dort, wenn ich auch da nicht in den überwachten Schlaf komme. Stattdessen beriet man sich und meinte, dass auf der offenen Station wohl bessere Möglichkeiten wären. Leider aber gab es eine Warteliste. Auch wenn ich vom Psychiater als Notfall eingewiesen worden war, spielte das wohl eher keine Rolle mehr. Ich wurde auf die Warteliste gesetzt.
Wie sollte es aber aktuell mit mir weitergehen? Mein vornehmliches Problem war und ist der Schlafmangel. Man informierte mich, dass ich in die Ambulanz gehen könne. Dort sollte ich sagen, dass ich von dem und dem komme. Da nur die Ambulanz Rezepte ausstellen darf, war mir der Weg schon klar. Ok, also wurde ich nach ca. 7 Minuten mit freundlicher Empfehlung aus dem Aufnahmebereich verabschiedet. Die Ambulanz war auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Auf dem Weg dorthin fragte ich mich, ob das nun alles gut oder schlecht für mich sein würde. Einerseits war die Aussicht auf ein 3-Bett-Zimmer nicht so dolle, zumal ich die echten Kranken am Hauptportal hatte sitzen und trinken sehen - und gröhlen hören - andererseits fühlt man sich zu Hause doch besser. Und wenn es dann mit dem Schlaf funktionieren würde, dann wäre doch alles gut. Das war meine Denke, meine Hoffnung, mein Strohhalm.
Die Ambulanz war zum Glück nicht voll. Ich konnte direkt zu einer Dame gehen, die mich nach meinem Begehr fragte. Ich sagte genau das, was mir aufgetragen worden war zu sagen und erntete große Augen. Oh Gott, und wieder war ich in Erklärungsnöten, bis eine Kollegin der Dame helfend zur Seite sprang. Nachdem nun alles klar war, wurde mir gesagt, ich solle um 14.30 Uhr wieder kommen und mich als Notfall melden. Halllooooo! Ich war als Notfall eingewiesen worden! Warum nun nochmals so ein Gedöns? Und ich müsse eine Überweisung mitbringen. Hä? Wat? Ich war kurz vorm Kollaps.
Meine Frage, wer mir die Überweisung geben sollte, wurde insofern informativ beantwortet, als diese vom Hausarzt würde ausgestellt werden müssen. Hä?
Innerlich zerbrach ich nun. Hausarzt? Was sollte das nun wieder!?
Und dann wäre ich fast aus den Schuhe gekippt. Als ich sagte, dass mich mein behandelnder Psychiater als Notfall in die Klinik eingewiesen hätte, weil er mit mir nichts mehr anfangen konnte und wollte, wurde mir gesagt, dass nun die Ambulanz nichts würde verschreiben dürfen, sondern das müsste der Psychiater machen. Ja, aber …
… der wollte doch nicht, darum die Einweisung!
Und mit dieser Aussage, auch ein Telefonat mit dem Aufnahmearzt brachte dann keine andere Erkenntnis, schloss sich der Kreis, in dessen Mitte ich stand und aus allem ausgegrenzt war.
Hallo, hört mich jemand!
Am liebsten hätte ich das gerufen, um auf mich und mein Problem aufmerksam zu machen. Es hörte aber niemand - Hilferuf im weiten Rund des Orbits verhallt.
Man verabschiedete mich dann freundlich, aber bestimmt. Es würde allen leid tun, aber man könne für mich aktuell nichts machen. Tschüss!
Das Ende vom Lied ist nun folgendes:
- ich stehe auf einer Warteliste für die offene Station (kann bis 40 Tage dauern, bis ich Bescheid bekomme)
- ich habe kaum noch Medikamente (würde ich sie dringend benötigen, hätte ich nun ein Problem)
- ich habe keinen Folgetermin beim Psychiater (dort bin ich lästiger Patient also raus), ich hatte damals auch nur 5 Monate darauf gewartet
- ich habe letztlich keine Hilfe erhalten
- ich wurde komplett abgeschrieben - nutzlos, wertlos
- ich darf oder muss oder kann oder soll oder möchte nun selber zwischen Tod und Leben entscheiden
Und genau so werden Selbstmörder gemacht!
Ich zahle nun seit 40 Jahren in die Sozialsysteme ein. Ich brauche Hilfe. Ich bekomme keine Hilfe, weil man sich in Kompetenzgerangel, komischen Gesetzen und Regelungen verliert, und letztlich im Kreis dreht. Das geht zu Lasten der Patienten, in diesem Fall zu meinen Lasten.
Herzlichen Dank dafür, Ihr armseligen ignoranten Arschlöcher!
Um mein Adrenalin, welches ich ausgeschüttet hatte, wieder abzubauen, lief ich dann nach Hause. Ohne dieses Hormon hätte ich die 8 km nicht geschafft, aber so war ich dann vollkommen ausgepumpt, weil ich eine schwere Tasche dabei hatte, wieder zu Hause und war maßlos enttäuscht. Nein, nicht enttäuscht. Verzweifelt ist das bessere Wort dafür.
Leider, leider ist es so wie ich es immer sage: es hilft niemand.
Demnach muss ich mir selber helfen. Ich weiß aber noch nicht wie. Möglicherweise ist ein Gang zum Heilpraktiker, der Augendiagnostik anbietet, eine Möglichkeit.
Ich weiß von meiner Mutter, dass ihr Heilpraktiker, der Augendiagnose machte, immer sagte, es würde ein Herzproblem bei ihr vorliegen. Das ging über Jahre. Die Medziner wiegelten immer ab. Letztlich hätte sie ein Herzinfarkt der gröberen Art fast umgebracht. Sie hat ihn überlebt, aber die Auswirkungen bzw. Nachwirkungen waren alles andere als schön.
Ich weiß nun nicht, wohin ich mich sonst noch wenden könnte. Ich bin mir sicher, dass, würde ich bei der Telefonseelsorge anrufen, mir dort auch keiner würde zuhören wollen.
Plöpp, aufgelegt.
Achja, weswegen wurde ich vom Psychiater als Notfall in die Klinik eingewiesen? So stand es auf dem Einweisungsschein:
schwere depressive Episode
Einen solchen Menschen wieder einfach so nach Hause zu schicken grenzt für mich an unterlassener Hilfeleistung. Was ich damit meine, steht weiter oben in großen Buchstaben geschrieben. Ich mag das übertrieben sehen, kann mir aber sehr gut vorstellen, wie es anderen Menschen damit ergeht, die dem ganzen dann ein Ende setzen und man später liest:
…nahm sich das Leben, obwohl sie/er jahrelang in psychiatrischer Behandlung war …
Einen Scheißdreck sind diese Menschen den Behandlern wert. Aber die-/derjenige, die/der dann irgendwann den Freitod wählt, ist dann die/der Böse, die/der Familie und wer weiß wen noch im Stich lässt. Dann sollen sich alle die mal fragen, was sie denn getan haben, um das zu verhindern - einschl. der Behandler.
Mir tut es um jeden Menschen leid, der freiwillig aus dem Leben scheidet, weil er mit dem Leben nicht mehr klarkommt. Diese Menschen haben meist jahrelange Qualen erlebt und erlösen sich somit. Für mich sind sie Helden, nicht Täter oder Bösewichte.
Leider kann ich mich nicht mehr wehren, weil mir die Kraft und die Engerie dafür fehlt. Meine Frau meinte, ich hätte streiten müssen. Ja, sie hat ja recht, aber ohne Mampf keinen Kampf und mein Mampf wäre der Schlaf. Ohne Schlaf gehe ich zu Grunde. Also läuft ja alles richtig in den Augen der Mediziner. Oder?
Dann gäbe es ein Arschloch weniger auf der Welt und die echten Kranken würde noch mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen für das Geld, was sie nie in die Kassen eingezahlt haben.
Ja, das ist böse und gemein, aber leider aus meiner bescheidenen Sichtweise real.
Jopii, 24.03.2022
Hier geht es vor zum 8. Teil: Restless Leg Syndrom - die Welle wird zur Strecke
Hier geht es zurück zum 6. Teil: Restless Leg Syndrom - der Weg in die neue Welle