In meinem siebten Artikel über das Restless Leg Syndrom - der Weg endet vor einer Mauer, den ich nahezu im Delirium verfasst hatte, hatte ich über die Auswirkungen des Schlafmangels/-entzugs berichtet und mich auch über die Ärzteschaft ausgelassen. Keines meiner Worte tut mir leid. Es gibt daran auch nichts zu ändern oder anders zu formulieren und darzustellen.
Ich fühle mich allein gelassen mit dem Restless Legs Syndrom und dessen verheerende Auswirkungen auf mich, auf meine Frau, auf unser gemeinsames Leben.
Eine Behandlung, die anscheinend keine war, hat mir nicht geholfen. Ich habe mich nun etwas belesen und nochmals erfahren, dass eine Heilung nicht möglich ist. Wenn keine Heilung möglich ist, dann ist jedenfalls die Linderung die größte Hilfe. Diese Hilfe ist ausgeblieben, weil mir keiner zugehört hat.
Das Ergebnis daraus ist, dass aus mir ein komischer, nahezu unverträglicher, leistungsunfähiger und somit unbrauchbarer Mensch geworden ist. Ich bin in einem Jahr um 10 Jahre gealtert. Körperlich bin ich verwrackt, seelisch ausgelaugt und zu nichts mehr fähig.
Mein Körper scheint zu reagieren und den Schlafmangel/-entzug mit Bluthochdruck zu quittieren. Ich bin fest der Meinung, dass es soweit nicht hätte kommen müssen. Man hätte nur das, was ich zu sagte hatte und gesagt habe, ernstnehmen und in die Behandlung aufnehmen müssen. Die durchgeführte Behandlung bestand aus nichts, außer aus der Verabreichung eines Parkinson-Medikaments, in dem auch Dopamin enthalten ist. Dopamin ist nach meiner Einschätzung und Erfahrung das, was mir fehlt und was ich brauche, um den unruhigen Beine Zügel anzulegen. Aber die Wellenkämme hat es nicht brechen können.
Weitergehende neurologische Untersuchungen wurden nicht durchgeführt. Kein Blut getestet oder was man sonst noch so macht, um eine Diagnose zu stellen, auf der dann eine Therapie aufsetzt. Ich habe in einem Jahr wohl 10 Jahre meines Lebens verloren. Danach wäre ich heute 67 Jahre alt und könnte meinem Vater als auch meinem Großvater, die beide 66 bzw. 67 Jahre alt geworden sind, folgen. Mit der Aussicht auf die Zukunft wäre das auch nicht das Schlechteste.
Was ist das Restless Legs Syndrom?
Ich habe einiges gelesen. Ich habe verstanden, dass es ein primäres und ein sekundäres Syndrom gibt. Die Ursache ist jedoch unbekannt und es wird vermutet, dass es einen Zusammenhang mit dem Dopamin-Botenstoffwechsel im Gehirn gibt. Ja, das wird zumindest bei mir so sein, denn auf Dopamin habe ich bislang positiv reagiert und die Unruhe in den Beinen konnte ausgeschaltet werden. Das jetzige Medikament hata nur bedingt diese Eigenschaft. Oder es liegt daran, dass die Auswirkung immer schlimmer werden und schwere Geschütze aufgefahren werden müssen.
Das sekundäre Syndrom basiert auf einer Vorerkrankung, die ich bei mir nicht sehe und auch nicht wüsste, welche es gewesen sein könnte. Das Syndrom schleppe ich seit 2002 mit mir mit.
Das primäre Syndrom ist von der Herkunft und Entstehung nicht zu bestimmen. Es ist da. Es kann genetisch bedingt sein. Aus der Familie mütterlicherseits sind unruhige Beine bekannt. Auch meine Mutter hatte diese im fortgeschrittenen Alter. Ich kann es mir nun aussuchen, ob es einfach so bei mir angefangen hat oder, ob es eine erbliche/genetische Folge ist. Letztlich ist es vollkommen egal.
Die verschiedenen Artikel, die ich gelesen habe, gehen alle einheitlich davon aus, dass das Restless Legs Syndrom nicht von jetzt auf gleich da ist, sondern sich entwickelt. Das kann ich durchaus bestätigen. Es fängt also langsam und eher soft an, um dann mit zunehmendem Alter schlimmer zu werden. Und genau so ist es bei mir.
Wie zeigt sich RLS?
Bei dieser Frage kann ich nur von mir berichten, denn es scheint verschiedenste Beschwerdenbündel zu geben. Sie alle haben eines gemein: Unruhe, die kaum zu ertragen ist.
In den Anfängen war es so, dass ich nachts aufwachte, weil die Beine unruhig waren. Sie wollten bewegt werden. Lindern konnte ich das damit, dass ich sehr viel mit dem Rad unterwegs war. Konnte ich über einige Tage meine Beine nicht belasten, kam die Unruhe zurück. Mit der Zeit waren die Episoden mal über einen längeren Zeitraum aktiv, mal kürzer. Aber es war dann auch so, dass die Arme mit der Zeit mit in Leidenschaft gezogen wurden. Wenn es ganz schlimm war, waren beide Beine und beide Arme betroffen. An Schlaf war nicht zu denken.
Die Episoden waren aber kurz, so dass ich den Schlafmangel wieder aufholen konnte. Ich war auch um einiges jünger als heute. Es konnte sein, dass ich einige Wochen keine Beschwerden hatte. Zurückblickend traten die Beschwerden immer in Situationen auf, in den ich mich Stress ausgesetzt sah. Heute lebe ich privat als auch beruflich nur noch im Stress, weil ich mit den Anforderungen nicht mehr klarkomme. Mein Kopf ist verbraucht - nutzlos. Kann weg.
Wann zeigt sich RLS?
Auch hier stimmen die Artikel überein und auch meine Erfahrung ist dementsprechend, dass bei mir die Unruhe eigentlich immer nur zur Schlafenszeit auftrat. Entweder wurde ich am Einschlafen gehindert oder ich wachte eine Stunde nach dem Einschlafen auf und quälte mich mit der Unruhe in den Gliedmaßen.
Es gab aber auch andere Tageszeiten. Wenn ich mal die Gelegenheit hatte am Nachmittag ein Nickerchen zu machen, dann wurde ich oftmals von einer Unruhe in den Beinen geweckt. Da ich aber nicht oft am Tag schlafen konnte, war die Unruhe tagsüber nicht vorhanden oder wahrnehmbar.
In den Episoden bzw. Wellen, wie ich die Zeitabschnitte bezeichne, was es bis zur jetzigen Welle so, dass tatsächlich die Nacht der Hauptzeitpunkt für die Unruhe war. Das hat sich krass geändert und entspricht dem, was in den Artikeln übereinstimmend beschrieben wird: mit zunehmendem Alter nimmt die Intensität zu.
Das Restless Legs Syndrom verläuft chronisch-progredient. Das heißt, der Zustand verschlechtert sich zunehmend. Im allgemeinen schreitet die Krankheit nur langsam voran. Daher sind weitgehende Behandlungen oftmals erst im höheren Alter erforderlich. Ich denke da an meine Mutter. Aber ich bin nicht im höheren Alter. Ich bin noch keine 60 und davon ca. 3 Jahre entfernt.
Bis zur letzten Welle war es wirklich so, dass die Unruhe nicht einfach so auftrat. Die Intensität hat auf jeden Fall von Wellenkamm zu Wellenkamm zugenommen. Das kann ich bestätigen. Aber immer nur spät abends und in der Nacht.
Mit der aktuellen Welle ist dies durchbrochen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit tritt die Unruhe auf. Mal im linken Bein, mal im rechten Bein. Dann gibt es schnell Wechsel zwischen links und rechts. Dass beide Beine zugleich betroffen sind, kommt auch vor. Die Arme werden einbezogen, aber nicht so oft. Somit habe ich keine Erholung mehr. Die Unruhe hat mich komplett erfasst. Ich habe täglich Kopfschmerzen mit unterschiedlicher Intensität.
Was bewirkt RLS?
Die Auswirkungen über die Jahre sind kaum auszumachen. Es hat was damit zu tun, dass ich meine Schlafprobleme aufnehme und z.B. Angst habe ins Bett zu gehen, weil ich nicht einschlafen könnte. Je später es früher wurde, desto schneller wollte ich schlafen. Schlafdruck tat sich auf. Früher, als ich noch aus meiner alten Heimat zur Arbeit fahren musste, habe ich auch oft nur mit 3 oder 4 Stunden Schlaf eine Fahrstrecke von fast 100 km zurücklegen müssen, um nach einem 15-Stunden-Tag spät am Abend wieder nach Hause zu fahren. Und das war über Jahre so der Fall. Raubbau am Körper (und dan der Seele) aus Angst vor einem Arbeitsplatzverlust.
Das bedeutet, ich habe nun viele Jahre immer im Kopf, dass ich schlafen muss, um am nächsten Tag meine Arbeit machen zu können. Eine schlechte Voraussetzung für einen gesunden und erholsamen Schlaf. Ich muss versuchen diese Angst zu überwinden. Das könnte helfen.
Das letzte Jahr, ich nehme an das war der Anfang vom Ende, hat von der Intensität das, was ich sonst in 19 Jahren an negativen Folgen erleiden musste. Alles komprimiert. Nach dem Behandlungbeginn des Psychiaters ergab sich eine kurzzeitige Linderung. Diese wurde nach 6 Wochen abrupt beendet, weil ich wieder arbeiten musste. Seitdem zieht sich chronisch der Schlafmangel/-entzug durch mein Leben. Davon habe ich schon berichtet und muss jetzt nicht detailliert beschrieben werden.
Das nachfolgende Bild zeigt meine Notizen zu den vergangenen knapp 3 Wochen:
Daraus ist kann interpretiert werden, was eintreten muss, wenn nicht genug Schlaf (bedingt durch RLS) zur Erholung in der Nacht führt:
- Müdigkeit bis zur völligen Erschöpfung
- Konzentrationsschwäche
- Leistungsschwäche
- Kopfschmerzen
- Bluthochddruck
- Lebensunwille
Ein Zitat, das die Auswirkungen treffend beschreibt:
Die Bewegungsunruhe der Beine kann zu Durchschlafstörungen führen. Wenn die Schlafstörung ausgeprägt ist, kommt es zu Müdigkeit und in der Folge zu einer Schlafstörung. Diese beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit im Alltagsleben massiv.
Die obige Grafik zeigt die letzten 18 Tage, seitdem ich auf der aktuellen Welle bin. Die angegebene Schlafzeit kann die Durchschlafzeit sein, muss sie aber nicht. Die Stundenzahl kann auch die Summe von Schlafetappen sein. Und Etappenschlaf von 2 Stunden kann auf keinen Fall gesund und erholsam sein.
Fazit
Auch wenn ich kein Mediziner bin, so ist mir nicht nur als Betroffener, sondern als denkender Mensch klar, dass man so nicht dauerhaft leben kann. Es geht mir nicht mal mehr darum, ein schönes Leben zu führen. Das ist relativ. Ich würde gerne wieder einen erholsamen Schlaf haben, um meine Verpflichtungen und meinen Alltag wieder bestreiten zu können. Das kann ich im Moment nicht mehr. Im Moment vegetiere ich nur noch vor mich hin.
Wie geht es weiter oder könnte es weitergehen?
Es steht vieles auf dem Spiel. Der Hauptverdiener bin ich. Falle ich aus, in welcher Form auch immer, werden wir uns einschränken müssen. Diese Einschränkung ist je nach Art des Ausfalls unterschiedlich.
- Verliere ich meinen Job, weil ich nicht mehr arbeiten kann und durchs soziale Netz falle, landen wir früher oder später bei Onkel Hartz. Dann sind über 40 Jahre Arbeitsleben nichts mehr wert.
- Schickt man mich wegen Erwerbsunfähigkeit in die Rente, habe ich den Druck des Alltagslebens nicht mehr, aber auch nicht die finanziellen Möglichkeiten wie ein Berufstätiger. Aber immerhin mehr als Onkel Hartz für mich übrig hätte.
Derzeit steht noch der Anruf der Klink aus, in dem mir mitgeteilt wird, ob und wann ich auf der offenen Station aufschlagen kann. Von den bis zu 40 Tagen sind nun 10 um. Bleiben maximal noch 30 Tage Wartzeit. Ich bin gespannt. Wenn ich die 30 Tage so verbringen muss wie jetzt, und müsste dabei aber auch noch arbeiten, könnte sich die Klinik den Anruf sparen. Dann würde es mich nicht mehr geben.
Tagesartikel
In den letzten zwei Wochen habe ich jeden Tag mindestens einen Artikel geschrieben, der meinen Werdegang in Ansätzen dokumentiert. Das Schreiben hat mir geholfen. Das Teilen meiner Situation mit den mir unbekannten Menschen im Netz ist mir weder peinlich noch mitleidsheischend. Vielleicht gibt es da draußen weitere Leute, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich - oder schlimmer. Ein ehrlicher Austausch wäre mir lieb.
Aussicht und Prognose
Tja, lesen im Kaffeesatz. Ich habe keine Ahnung was morgen sein wird oder nächste Woche. Sollte ich kurzfristig in die Klinik kommen, besteht die Chance, dass ich dort Medikamente bekomme, die Linderung verschaffen und mir ein lebenswertes Leben ermöglichen. Die Grundlage ist Schlaf. Mit Schlaf kann ich im Arbeitsleben bleiben und vielleicht endlich mal ein bisschen das Leben genießen.
Wofür ich kein Hellseher sein muss ist, dass sich das Restless Legs Syndrom nicht heilen lässt und kontinurierlich voranschreiten wird. Es wird vielleicht alles noch schlimmer werden.
Im Moment muss ich davon ausgehen, dass ich meine Erwerbsfähigkeit verlieren werde. Ich kann die Wochenarbeitszeit nicht noch weiter nach unten schrauben. Von irgendetwas müssen meine Frau und ich auch leben können. Verliere ich meinen Job, durch Kündigung des Arbeitgebers oder wegen Erwerbsunfähigkeit, kommen die beiden Spiegelstrichpunkte zum Einsatz: Rentnerdasein oder Abgrund.
Die Überschrift zu diesem Artikel habe ich so gewählt, dass ich mir offen lasse, ob ich einen neuten Artikel schreiben werde oder wie in den letzten Tagen einzelne situationsbezogene Texte veröffentliche. Die aktuelle Welle wird nach bisherigem Stand von ihrem Höhepunkt nicht wieder abflachen und mich ins Wellental lassen. Das würde mich wirklich wundern.
Vielleicht erhalte ich Linderung durch Medikamente. Ich sehe mich aber auf einer Strecke, nicht mehr auf einem Wellenkamm, der auslaufen wird. Wohin die Strecke mich führen wird, ist unbestimmt. Es ist nicht wirklich was zu sehen. Ich laufe in den Nebel, ohne zu wissen, ob der nächste Schritt der letzte sein wird, bevor ich in den Abgrund stürze. Und damit wäre ein Scheißleben beendet und ich müsste auch wohl die kommenden quälenden Jahre nicht mehr erleben. Auch das kann ein Ziel sein.
Jopii, 04.04.2022
Hier geht es vor zum 9. Teil: Restless Leg Syndrom - kein Wellental in Sicht
Hier geht es zurück zum 7. Teil: Restless Leg Syndrom - der Weg endet vor einer Mauer